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Zur fehlenden Markenfähigkeit von durch die Funktion der Ware bedingten Formen

Nach dem Unionsrecht können Formen, die durch die Funktion der Ware bedingt sind, und Formen, die einer Ware mit mehreren Eigenschaften in unterschiedlicher Weise jeweils einen wesentlichen Wert verleihen können, von der Eintragung als Marke ausgeschlossen werden. Würden solche Formen einem einzigen Wirtschaftsteilnehmer vorbehalten, würde ein Monopol auf die wesentlichen Eigenschaften der Waren gewährt, wodurch das Ziel des Markenschutzes beeinträchtigt würde – EuGH 18.9.2014, C-205/13.

Die Kläger sind die Stokke A/S, die Stokke Nederland BV, Peter Opsvik und die Peter Opsvik A/S.; die Beklagte ist die deutsche Hauck GmbH & Co. KG. Peter Opsvik entwarf einen Kinderstuhl mit dem Namen „Tripp Trapp“. Dieser Stuhl besteht aus schrägen Stützstreben, an denen die Elemente des Stuhls befestigt sind, sowie aus Stützstreben und Holmen in „L“-Form, die ihm ein hohes Niveau an Originalität verleihen. 1972 brachte die Stokke-Gruppe, die u.a. aus der norwegischen Gesellschaft Stokke A/S und der niederländischen Gesellschaft Stokke Nederland BV besteht, den Tripp Trapp auf den Markt. Peter Opsvik und die norwegische Gesellschaft Peter Opsvik A/S halten ebenfalls Urheberrechte an der fraglichen Form.

1998 meldete die Stokke A/S beim Benelux-Amt für geistiges Eigentum das äußere Erscheinungsbild des Kinderstuhls „Tripp Trapp“ als dreidimensionale Marke an. Die Marke wurde auf ihren Namen für „Stühle, insbesondere Kinderstühle“ eingetragen. Die deutsche Hauck GmbH & Co. KG produziert und vertreibt Kinderartikel, darunter die beiden als „Alpha“ und „Beta“ bezeichneten Stühle. Die Kläger erhoben Klage gegen die Gesellschaft Hauck mit der Begründung, dass der Vertrieb der Stühle „Alpha“ und „Beta“ ihre Urheberrechte und die aus der angemeldeten Marke abgeleiteten Rechte verletze. Hauck erhob Widerklage insbes. auf Ungültigerklärung Hauck der Marke.

Ein niederländisches Gericht gab der Klage von Stokke und Opsvik hinsichtlich der Verletzung der Urheberrechte statt, erklärte aber entsprechend dem Antrag von Hauck die Eintragung der Marke für ungültig. Das mit einer Kassationsbeschwerde befasste Oberste Gericht der Niederlande stellte dem EuGH im Wege des Vorabentscheidungsersuchens Vorlagefragen zu den Gründen, aus denen die Eintragung einer aus der Form der Ware bestehenden Marke abgelehnt oder für ungültig erklärt werden kann.

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Gilt die Fluggastrechteverordnung auch für Flüge aus der Schweiz in Drittstaaten?

Der Bundesgerichtshof hat dem Gerichtshof der Europäischen Union die Frage vorgelegt, ob die europäische Verordnung über Fluggastrechte auch für Flüge mit Start in der Schweiz und Ziel in einem Staat außerhalb der Europäischen Union anwendbar ist.

Im Ausgangsfall verlangt die Klägerin von der Beklagten aufgrund der Fluggastrechteverordnung eine Ausgleichszahlung in Höhe von 600 € wegen eines verspäteten Fluges.

Die Klägerin buchte bei der Swiss International Air Lines AG einen Flug von Frankfurt am Main nach Zürich und einen direkten Anschlussflug von Zürich nach Yaundé in Kamerun mit einem Zwischenstopp in Duala. Der Flug von Frankfurt am Main nach Zürich erfolgte planmäßig. Der Abflug des Anschlussflugs in Zürich verzögerte sich um 6 Stunden und 10 Minuten. Dieser Flug endete tatsächlich in Duala. Die Klägerin wurde sodann mit dem Bus von Duala nach Yaundé befördert und erreichte dieses Ziel am Abend des Folgetags mit einer Verspätung von mehr als 20 Stunden.

Das Amtsgericht hat die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte verneint und die Klage als unzulässig abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landgericht die Klage vor deutschen Gerichten zwar für zulässig, in der Sache aber für unbegründet erachtet. Ein Fluggast könne einen Anspruch auf Ausgleichszahlung auch dann bei den für den ersten Abflugort (hier Frankfurt am Main) zuständigen Gerichten einklagen, wenn sich die Flugverspätung erst im Rahmen eines Anschlussfluges an einem anderen Ort ereignet habe. Der Klägerin stehe der geltend gemachte Ausgleichsanspruch jedoch nicht zu, weil die Verspätung erst bei dem Anschlussflug eingetreten sei und dieser nicht in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union begonnen habe.

Der für das Reise- und Personenbeförderungsrecht zuständige X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat die Auffassung des Landgerichts zur internationalen Zuständigkeit bestätigt. Er ist dem Landgericht auch darin beigetreten, dass der Klägerin nur dann ein Anspruch zusteht, wenn die Fluggastrechteverordnung auch auf den Flug von Zürich nach Yaundé anwendbar ist. Er hält die Anwendbarkeit der Verordnung auf solche Flüge jedoch für möglich, weil diese nach dem Wortlaut des Luftverkehrsabkommens zwischen der Schweiz und der Europäischen Union seit Dezember 2006 auch für die Schweiz anzuwenden ist. Ein Schweizer Gericht hat jedoch entschieden, die Verordnung sei aufgrund des Abkommens nur auf Flüge anzuwenden, die zwischen der Schweiz und einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder umgekehrt verlaufen. Der Bundesgerichtshof hat deshalb die Frage, ob die Fluggastrechteverordnung auch auf Flüge von der Schweiz in einen Drittstaat anzuwenden ist, dem für die Auslegung des Unionsrechts zuständigen Gerichtshof der Europäischen Union vorgelegt.

BGH, Beschluss vom 9. April 2013 – X ZR 105/12

LG Frankfurt am Main – Urteil vom 28. Juni 2012 – 2-24 S 48/12

AG Frankfurt am Main – Urteil vom 3. Februar 2012 – 32 C 1418/11 (18)

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Fluggäste können bei erheblich verspäteten Flügen eine Ausgleichsleistung beanspruchen

Erreichen die Fluggäste ihr Endziel drei Stunden oder mehr nach der geplanten Ankunft, können sie vom Luftfahrtunternehmen eine pauschale Ausgleichszahlung verlangen, es sei denn, die Verspätung ist auf außergewöhnliche Umstände zurückzuführen. Das hat der EuGH mit einem Urteil entschieden.

Das Unionsrecht (VO Nr. 261/2004) sieht vor, dass Fluggäste im Fall einer Annullierung ihres Fluges eine pauschale Ausgleichszahlung erhalten können, die zwischen 250 Euro und 600 Euro beträgt. Im Urteil Sturgeon vom 19. 11.2009 (Rs.: C-402/07 und C-432/07) hat der Gerichtshof entschieden, dass die Fluggäste verspäteter Flüge den Fluggästen annullierter Flüge in Bezug auf ihren Anspruch auf Ausgleichsleistung gleichgestellt werden können. Erreichen sie ihr Endziel drei Stunden oder mehr nach der ursprünglich geplanten Ankunftszeit, können sie vom Luftfahrtunternehmen eine pauschale Ausgleichszahlung verlangen, es sei denn, die Verspätung ist auf außergewöhnliche Umstände zurückzuführen. Das Amtsgericht Köln (Deutschland) und der High Court of Justice (Vereinigtes Königreich) ersuchen um nähere Angaben zur Tragweite des Urteils Sturgeon. In der einen Rechtssache (C-581/10) ist das deutsche Gericht mit einem Rechtsstreit befasst, in dem Fluggäste gegen das Luftfahrtunternehmen Lufthansa klagen, weil ihr Flug gegenüber der ursprünglich geplanten Ankunftszeit um über 24 Stunden verspätet war. In der anderen Rechtssache (C-629/10) haben sich TUI Travel, British Airways, easyJet Airline und die International Air Transport Association (IATA) an die Gerichte des Vereinigten Königreichs gewandt, weil die Civil Aviation Authority (Behörde für die Zivilluftfahrt) sich weigert, ihrem Ersuchen stattzugeben, sie nicht zu Ausgleichszahlungen an Fluggäste verspäteter Flüge zu verpflichten. Zur Begründung hat diese unabhängige Behörde, die über die Einhaltung der Flugverkehrsregelung im Vereinigten Königreich wacht, ausgeführt, sie sei an das Urteil Sturgeon gebunden.

In seinem Urteil bestätigt der Gerichtshof die von ihm im Urteil Sturgeon vorgenommene Auslegung des Unionsrechts. Er weist darauf hin, dass der Grundsatz der Gleichbehandlung verlangt, die Situation der Fluggäste verspäteter Flüge in Bezug auf die Anwendung ihres Anspruchs auf Ausgleichsleistung als vergleichbar mit der Situation der Fluggäste anzusehen, deren Flug „in letzter Minute“ annulliert wurde, da sie ähnliche Unannehmlichkeiten hinnehmen müssen, nämlich einen Zeitverlust.

Da die Fluggäste annullierter Flüge Anspruch auf eine Ausgleichsleistung haben, wenn ihr Zeitverlust drei Stunden oder mehr beträgt, entscheidet der Gerichtshof, dass den Fluggästen verspäteter Flüge ebenfalls ein Ausgleichsanspruch zusteht, wenn sie aufgrund einer Verspätung ihres Fluges einen solchen Zeitverlust erleiden, d. h., wenn sie ihr Endziel nicht früher als drei Stunden nach der vom Luftfahrtunternehmen ursprünglich geplanten Ankunftszeit erreichen. Mit dem Erlass dieser Rechtsvorschriften wollte der Unionsgesetzgeber die jeweiligen Interessen der Fluggäste und der Luftfahrtunternehmen zum Ausgleich bringen. Daher begründet eine solche Verspätung keinen Ausgleichsanspruch der Fluggäste, wenn das Luftfahrtunternehmen nachweisen kann, dass die große Verspätung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären, also auf Umstände, die von dem Luftfahrtunternehmen tatsächlich nicht zu beherrschen sind.

Der Gerichtshof führt weiter aus, dass das Erfordernis, die Fluggäste verspäteter Flüge zu entschädigen, mit dem Übereinkommen von Montreal vereinbar ist. Hierzu stellt der Gerichtshof fest, dass der Zeitverlust, der aufgrund der Verspätung eines Fluges entsteht, eine Unannehmlichkeit darstellt und kein Schaden im Sinne des Übereinkommens von Montreal ist. Die Pflicht zur Zahlung einer Ausgleichsleistung an die Fluggäste verspäteter Flüge wird infolgedessen nicht vom Geltungsbereich dieses Übereinkommens erfasst und ergänzt die darin vorgesehene Entschädigungsregelung. Diese Pflicht ist auch mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit vereinbar, der verlangt, dass den Fluggästen und den Luftfahrtunternehmen der jeweilige Umfang ihrer Rechte und Pflichten genau bekannt ist.

Die Ausgleichspflicht steht ferner mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Einklang, der besagt, dass die Handlungen der Unionsorgane nicht die Grenzen dessen überschreiten dürfen, was zur Erreichung der mit der betreffenden Regelung zulässigerweise verfolgten Ziele geeignet und erforderlich ist, und dass die verursachten Nachteile nicht außer Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen dürfen. Hierzu stellt der Gerichtshof fest, dass die Ausgleichspflicht nicht alle, sondern nur große Verspätungen betrifft. Zudem sind die Luftfahrtunternehmen nicht zu einer Ausgleichszahlung verpflichtet, wenn sie nachweisen können, dass die Annullierung oder die große Verspätung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht.

Schließlich prüft der Gerichtshof die Anträge der betreffenden Luftfahrtunternehmen auf zeitliche Begrenzung der Wirkungen seines Urteils. Diese sind der Ansicht, dass eine Berufung auf das Unionsrecht als Rechtsgrundlage für Klagen von Fluggästen auf Ausgleichszahlung für Flüge, die vor dem Tag der Verkündung des vorliegenden Urteils verspätet gewesen seien, nur Fluggästen möglich sein sollte, die bereits vor diesem Tag eine Klage auf Ausgleichszahlung erhoben hätten. Darauf antwortet der Gerichtshof, dass die Wirkungen des vorliegenden Urteils nicht zeitlich zu begrenzen sind.

Urteil des EuGH vom 23.10.2012 (Az.:C 581/10)

Quelle: Pressemitteilung Nr. 135/2012 des EuGH vom 23.10.2012

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