Antiterrordatei in Grundzügen verfassungsgemäß
Bundesverfassungsgericht: Gesetzgeber muss aber nachbessern
Karlsruhe (jur). Die zwischen den Polizeibehörden und den Nachrichtendiensten zur Terrorismusbekämpfung errichtete Antiterrordatei verstößt im Wesentlichen nicht gegen das Grundgesetz. Lediglich einzelne gesetzliche Vorschriften sind mit der Verfassung nicht vereinbar und müssen geändert werden, urteilte am Mittwoch, 24. April 2013, das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe (Az.: 1 BvR 1215/07). Der Gesetzgeber hat bis zum 31. Dezember 2014 Zeit, das Antiterrordateigesetz im Einklang mit dem Grundgesetz zu bringen. Bis dahin gelten die bisherigen Regelungen fort.
Die Einführung der Antiterrordatei wurde zum 1. Dezember 2006 mit den Stimmen der Großen Koalition von CDU/CSU und SPD beschlossen. Danach können etwa 60 Polizeibehörden und Nachrichtendienste, darunter das Bundeskriminalamt und der Bundesnachrichtendienst auf die Datei zugreifen.
Bei der Antiterrordatei handelt es sich um eine sogenannte Verbunddatei, die quasi einen Index zu zahlreichen Datenbanken bereithält und damit Daten zusammenführt. Darunter zählen beispielsweise Datenbanken zu Kinderpornografie, Geldwäsche, Personenfahndung und –identifizierung oder auch Taschendiebstahl.
Es würden aber Daten von Personen erfasst, die unwissentlich Kontakt zu Terrorismus-Verdächtigen haben, hatte vor dem Bundesverfassungsgericht der Beschwerdeführer, ein pensionierter Richter, gerügt. Viele Regelungen in dem Antiterrordateigesetz seien zu unbestimmt. Letztlich werde das Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt.
Die Karlsruher Richter gaben dem Beschwerdeführer nun teilweise recht. In ihren Grundstrukturen sei die Antiterrordatei allerdings mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung vereinbar. Dieses Recht beinhalte zwar, dass ein Datenaustausch zwischen der grundsätzlich offen arbeitenden Polizei und den verdeckt arbeitenden Nachrichtendiensten grundsätzlich nicht möglich ist. Bei einem „herausragenden öffentlichen Interesse“ sei dies aber ausnahmsweise zulässig, so der Erste Senat.
Dem Ziel der Terrorismusbekämpfung sei hier ein „erhebliches Gewicht“ beizumessen. Es müsse allerdings bei der Bereitstellung der Daten der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz eingehalten werden. Die erfassten Daten und deren Nutzungsmöglichkeiten müssten in den entsprechenden Vorschriften klar und „in der Sache hinreichend begrenzt ausgestaltet“ sein. Auch müsse es ausreichende Kontrollmöglichkeiten über die Verwendung der Antiterrordatei geben.
Die gesetzlichen Regelungen würden dem nicht vollständig gerecht. So sei es verfassungswidrig, dass auch Personen erfasst werden, „die im Vorfeld und ohne Wissen von einem Terrorismusbezug eine in ihren Augen unverdächtige Vereinigung unterstützen“. Dies verstoße gegen den Grundsatz der Normenklarheit und sei mit dem Übermaßverbot nicht vereinbar. Auch das bloße „Befürworten von Gewalt“ reiche für die Erfassung von Personen in der Antiterrordatei nicht aus.
Die Verfassungsrichter rügten ferner, dass die Grunddaten von Kontaktpersonen eines Terrorverdächtigen gänzlich als Klarinformation ausgetauscht werden können. Hier dürften nur Kontaktpersonen mit wenigen Elementardaten erfasst und – als Information zur terrorismusnahen Hauptperson – nur verdeckt recherchierbar gespeichert werden. In diesem Fall wäre nur einzelnen Behörden der Zugang zu den Daten auf Anfrage möglich.
Auch die in der Antiterrordatei enthaltene Suchfunktion muss überarbeitet werden. So ist die sogenannte Inverssuche mit dem Übermaßverbot nicht vereinbar. Danach können Behörden beispielsweise nach bestimmten Merkmalen wie die Religionszugehörigkeit und Ausbildung suchen. Im Trefferfall erhalte die Behörde dann nicht nur Angaben, welche andere Behörde darüber Informationen besitzt, sondern auch die Namen, Adressen sowie weitere Grundinformationen von allen Personen, auf die die abgefragten Merkmale zutreffen, so das Bundesverfassungsgericht.
Daten, die bei Wohnungsdurchsuchungen oder nach abgehörten Telefongesprächen oder bei E-Mails erhoben worden sind, dürften ebenfalls nicht vollständig und uneingeschränkt in die Antiterrordatei einfließen.
Eine Vorlage zum Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg hielten die Verfassungsrichter nicht für erforderlich. Das Antiterrorgesetz verfolge innerstaatliche Ziele, die das „Funktionieren der unionsrechtlich geordneten Rechtsbeziehungen nur mittelbar beeinflussen können“.
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