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Zur Frage der Zulässigkeit des sogenannten „Screen Scraping“

Der automatisierte Abruf von Daten von einer Internetseite, um sie auf einer anderen anzuzeigen (sog. „Screen Scraping“) kann unlauter sein, wenn eine technische Schutzvorrichtung überwunden wird, mit der ein Unternehmen verhindert, dass sein Internetangebot durch Suchdienste genutzt werden kann. Es liegt keine solche Schutzmaßnahme vor, wenn die Buchung von Reisen über eine Internetseite durch Ankreuzen eines Kästchens zum Akzeptieren der AGB, in denen die Vermittlung von Flügen im Wege des „Screen-Scraping“ untersagt wird, abhängig gemacht wird – BGH 30.4.2014, I ZR 224/12.

Der Sachverhalt:
Die klagende Fluggesellschaft bietet preisgünstige Linienflüge an und vertreibt ihre Flüge ausschließlich über ihre Internetseite sowie ihr Callcenter. Dabei bietet sie dort auch die Möglichkeit zur Buchung von Zusatzleistungen Dritter an, wie etwa Hotelaufenthalte oder Mietwagenreservierungen. Bei der Buchung eines Fluges über die Internetseite der Klägerin muss ein Kästchen angekreuzt werden. Damit akzeptiert der Buchende die AGB der Klägerin. In diesen Bedingungen untersagt die Klägerin den Einsatz eines automatisierten Systems oder einer Software zum Herausziehen von Daten von ihrer Internetseite, um diese auf einer anderen Internetseite anzuzeigen.

Die Beklagte betreibt im Internet ein Portal, über das Kunden Flüge verschiedener Fluggesellschaften online buchen können. Dort wählt der Kunde in einer Suchmaske eine Flugstrecke und ein Flugdatum aus. Ihm werden dann entsprechende Flüge verschiedener Fluggesellschaften aufgezeigt, u.a. solche der Klägerin. Wählt der Kunde einen Flug aus, werden ihm die genauen Flugdaten und der von der Fluggesellschaft verlangte Flugpreis angezeigt. Für ihre Vermittlung erhebt die Beklagte Gebühren, die während der Buchung auf ihrem Portal dem von der Klägerin verlangten Flugpreis hinzugerechnet werden.

Die Die für die konkrete Anfrage des Kunden erforderlichen Daten werden von der Beklagten automatisch von den Internetseiten der Fluggesellschaften abgerufen. Die Klägerin sieht in dem Verhalten der Beklagten eine missbräuchliche Nutzung ihres Buchungssystems und ein unzulässiges Einschleichen in ihr Direktvertriebssystem. Sie nimmt die Beklagte auf Unterlassung der Vermittlung von Flugbuchungen in Anspruch.

Das LG wies die Klage ab. Das OLG gab ihr antragsgemäß statt und verurteilte die Beklagten wegen unlauteren Schleichbezugs gem. § 4 Nr. 10 UWG zur Unterlassung. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Eine wettbewerbswidrige Behinderung der Klägerin gem. § 4 Nr. 10 UWG liegt nicht vor.

Es kann vorliegend nicht angenommen werden, dass die Klägerin durch die beanstandete Vermittlung von Flügen durch die Beklagte ihre Leistungen am Markt durch eigene Anstrengungen nicht mehr in angemessener Weise zur Geltung bringen kann. Erforderlich wäre hierfür eine Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeit, die über die mit jedem Wettbewerb verbundene Beeinträchtigung hinausgeht und bestimmte Unlauterkeitsmomente aufweist. Allein der Umstand, dass sich die Beklagte über den von der Klägerin in ihren AGB geäußerten Willen hinwegsetzt, keine Vermittlung von Flügen im Wege des sog. „Screen-Scraping“ zuzulassen, führt jedenfalls nicht zu einer wettbewerbswidrigen Behinderung der Klägerin.

Ein Unlauterkeitsmoment kann allerdings darin liegen, dass eine technische Schutzvorrichtung überwunden wird, mit der ein Unternehmen verhindert, dass sein Internetangebot durch übliche Suchdienste genutzt werden kann. Es handelt sich jedoch nicht um eine solche technische Schutzmaßnahme, wenn die Klägerin die Buchung von Reisen über ihre Internetseite von der Akzeptanz ihrer Geschäfts- und Nutzungsbedingungen durch Ankreuzen eines Kästchens abhängig macht. Dass sich die Beklagte über diese Bedingungen hinwegsetzt, kann mithin auch kein Überwinden einer solchen Vorrichtung bedeuten.

Die Interessen der Klägerin überwiegen auch nicht die der Beklagten. Das Geschäftsmodell der Beklagten fördert die Preistransparenz auf dem Markt der Flugreisen und erleichtert dem Kunden das Auffinden der günstigsten Flugverbindung. Dagegen wiegen die Interessen der Klägerin daran, dass die Verbraucher ihre Internetseite direkt aufsuchen und die dort eingestellte Werbung und die Möglichkeiten zur Buchung von Zusatzleistungen zur Kenntnis nehmen, nicht schwerer. Das OLG wird nun im zweiten Rechtsgang zu prüfen haben, ob der Klägerin Ansprüche wegen Irreführung und nach den Grundsätzen des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes zustehen.

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