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Grundurteil: Auch ohne Aufklärung eines Mitverschuldens möglich

Bei einer einheitlichen, aus mehreren Einzelposten errechneten Schadensersatzforderung kann die Verpflichtung zum Schadensersatz dem Grunde nach festgestellt und dem Betragsverfahren die Prüfung vorbehalten werden, ob und inwieweit einzelne Schadenspositionen auf die Schaden stiftende Handlung zurückzuführen sind. Für den Mitverschuldenseinwand kann nichts anderes gelten, solange nicht feststeht, dass der Klageanspruch gänzlich entfällt, vgl. OLG Naumburg, Urteil vom 24.04.2014 – 1 U 27/11; BGH, Beschluss vom 15.06.2016 – VII ZR 108/14 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)

Problem/Sachverhalt

Ingenieure werden mit der Planung eines Wasserkraftwerks beauftragt. Durch den Betrieb des Wasserkraftwerks wird eine (dem Land gehörende) Brücke beschädigt. Vertragliche Beziehungen zwischen dem Land und den Ingenieuren bestehen nicht. Das OLG stellt fest, dass die Beschädigung auf einem Planungsfehler der Ingenieure beruht. Es bejaht eine Haftung der Ingenieure für die Brückenschäden nach den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung für Dritte. In Streit steht noch, ob sich das Land ein eigenes Mitverschulden und/oder ein Mitverschulden des Bauherrn des Wasserkraftwerks (des Auftraggebers der Ingenieure) zurechnen lassen muss. Kann trotz dieser Streitfrage durch ein Grundurteil festgestellt werden, dass die Ingenieure für die Beschädigung haften?

Entscheidung

Ja! Die Entscheidung durch Grundurteil ist möglich. § 304 ZPO fordert zwar eine vollständige Entscheidung über den Grund des Anspruchs und gestattet deshalb keine Entscheidung nur über einzelne Elemente der Begründetheit einer Klage. Da die Vorschrift jedoch prozesswirtschaftlichen Erwägungen entspringt, können dogmatische Erwägungen bei ihrer Auslegung in den Hintergrund treten. Deshalb kann bei einer einheitlichen, aus mehreren Einzelposten errechneten Schadensersatzforderung die Verpflichtung zum Schadensersatz dem Grunde nach festgestellt und dem Betragsverfahren die Prüfung vorbehalten werden, ob und inwieweit einzelne Schadenspositionen auf die schadensstiftende Handlung zurückzuführen sind. Für den Mitverschuldenseinwand kann so lange nichts anderes gelten, solange nicht feststeht, dass der Klageanspruch (nach summarischer Prüfung) gänzlich entfällt. Steht nur die Mitverschuldensquote (von weniger als 100%) noch nicht fest, kann die Entscheidung darüber dem Betragsverfahren vorbehalten bleiben. Es muss dann auch keine Quote gebildet werden, sondern der Vorbehalt des Mitverschuldens kann insgesamt in den Tenor aufgenommen werden.

Praxishinweis

Die Frage des Mitverschuldens darf auch dann nicht dem Betragsverfahren vorbehalten werden, wenn sich der Einwand des Mitverschuldens nicht vom Grund der Haftung trennen lässt, weil sich beides aus einem einheitlich zu würdigenden Schadensereignis ableitet. Dies ist der Fall, wenn der Einwand des Mitverschuldens die Entstehung des Schadens betrifft und nicht nur dessen Höhe (BGH, Urteil vom 19.04.2013 – V ZR 113/12, IBRRS 2013, 1962).

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