Nachtragsstreitigkeiten können im einstweiligen Verfügungsverfahren (vorläufig) geklärt werden!
Zum Erlass einer einstweiligen Verfügung der Streitigkeiten über das Anordnungsrecht gemäß § 650 b BGB oder die Vergütungsanpassung gemäß § 650 c BGB ist nach Beginn der Bauausführung nicht erforderlich, dass der Verfügungsgrund glaubhaft gemacht wird, vgl. § 650 d BGB.
Wie war es bisher?
Die einstweilige Verfügung spielt sowohl im BGB – als auch im VOB-Vertrag nur im Bereich der Sicherheiten – insbesondere bei der Bauhandwerkersicherungshypothek – eine Rolle.
Erleichterung für die Glaubhaftmachung des Verfügungsgrundes gab es nur bei einer Bauhandwerkersicherungshypothek in § 648 a BGB a. F., § 885 Abs. 1 Satz 2 BGB. Folglich kam der einstweiligen Verfügung bei Streitigkeiten über Nachträgen bislang keine Bedeutung zu.
Was gilt ab jetzt?
650 d BGB gibt den Parteien durch eine Erleichterung der Glaubhaftmachung des Verfügungsgrunds die Möglichkeit, Streitigkeiten über das Anordnungsrecht (§ 650 b BGB) oder der Vergütungsanpassung (§ 650 c BGB) im einstweiligen Verfahren vorläufig gerichtlich klären zu lassen. Verfügungsgrund liegt dann vor, wenn die Besorgnis besteht, dass die jeweilige Partei ihre Rechte zu einem späteren Zeitpunkt nicht oder nur wesentlich erschwert durchsetzen könnte. Hieran fehlt es im Bauvertrag regelmäßig. Der Verfügungsgrund wird daher nunmehr widerleglich vermutet, um den Parteien die Möglichkeit zu geben, Fragen zur Leistungsänderung zeitnah klären zu können. § 650 d BGB ist so auszulegen, dass die Vermutung nur dann widerlegt werden kann, wenn der Antragsteller nach Vorliegen der Voraussetzungen des § 650 d BGB bis zur Antragstellung zu lang abwartet. Den Parteien steht die Möglichkeit offen, das Bestehen oder nicht Bestehen eines Anordnungsrechts des Auftraggebers (AG) und die hiermit verbundene Folgefrage sowie die Höhe einer Mehr- oder Mindervergütung des Auftragnehmers (AN) infolge einer Leistungsänderung im Wege der Feststellungsverfügung klären zu lassen. Daneben erhält der AN die Möglichkeit, einen Anspruch auf Abschlagszahlung für eine erbrachte Leistungsänderung im Wege der Leistungsverfügung durchzusetzen, ohne auf einen langwierigen Prozess angewiesen zu sein. Hierzu kann der AN auf die 80 %-Regelung des § 650 c Abs. 3 Satz 1 BGB zurückgreifen. Umgekehrt kann der AG im Wege der einstweiligen Verfügung ein auf diese 80 %-Regelung basierendes Angebot angreifen. Zuständig für die einstweilige Verfügung ist das Gericht der Hauptsache und damit die neuen Baukammern. Gegen eine ergangene Verfügung ist der Widerspruch bzw. die Berufung statthaft. Eine Revision sieht das Prozessrecht nicht vor.
Was ist zu beachten?
Dem Richter steht beim Erlass der einstweiligen Verfügung ein Ermessensspielraum zu. Er ist insbesondere nicht an die Anträge der Parteien gebunden und kann über diese mit oder ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Die Entscheidung erfolgt auf Basis einer vorläufigen summarischen Prüfung des Sachverhalts. Tatsachen müssen lediglich glaubhaft gemacht werden. Hierzu kann sich der Antragsteller nur präsenter Beweismittel, wie z. B. der eidesstattlichen Versicherung oder des Zeugenbeweises, bedienen. Der Tatbestand des geltend gemachten Anspruchs ist mit den Mitteln der Glaubhaftmachung in vollem Umfang darzulegen. Besteht die Befürchtung, dass die Gegenseite einen Eintrag auf eine einstweilige Verfügung stellen wird, kann sich der potentielle Antragsgegner mit einer Schutzschrift gegen deren Erlass ohne Anhörung schützen. Der AN sollte genau überlegen, ob ein Leistungsantrag ggf. auf Basis der 80 %-Vergütung Erfolg verspricht, da dieser einen positiven Saldo aus den bis dato abgestellten Abschlagsrechnungen erfordert. Es genügt nicht dazutun, dass 80 % eines Angebots geltend gemacht werden. Vielmehr muss ein positiver Abschlagsrechnungssaldo dargelegt werden. Dieses ist beispielsweise von Zurückbehaltungsrechten des AG abhängig.
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