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§ 246e BauGB (Bau-Turbo) und die lokalen Satzungen in Warburg – Auswirkungen auf § 34 BauGB, Ergänzungs- und Gestaltungssatzungen

Ausgangslage: In Warburg gelten – wie in vielen Gemeinden – neben dem Bundesbaugesetz auch lokale Satzungen, die das Bauen steuern. Insbesondere im unbeplanten Innenbereich (also wo kein Bebauungsplan existiert) kommt § 34 BauGB zur Anwendung. Warburg hat für verschiedene Ortsteile Ergänzungssatzungen erlassen, um bestimmte Außenbereichsflächen den Ortslagen zuzuschlagen, sowie Gestaltungs- und Erhaltungssatzungen, die etwa in der historischen Kernstadt das Erscheinungsbild von Bauten regeln. Der neue § 246e BauGB – der Bau-Turbo – beeinflusst diese örtlichen Regelungen. Im Folgenden wird erläutert, wie der Bauturbo mit § 34 BauGB und Warburgs kommunalen Vorschriften interagiert und ob städtische Vorgaben umgangen oder ergänzt werden können.

§ 34 BauGB und Warburgs örtliche Bauvorschriften

Nach § 34 BauGB richtet sich die Zulässigkeit von Bauvorhaben innerhalb bebauter Ortsteile ohne Bebauungsplan danach, ob sich das Vorhaben in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt (sog. Einfügungsgebot). Warburg nutzt diese Regel in vielen Bereichen, z.B. in kleineren Dörfern oder der Altstadt, wo kein rechtsverbindlicher Bebauungsplan vorliegt. Örtliche Gestaltungssatzungen konkretisieren in solchen Gebieten oft, was als passend gilt – etwa hinsichtlich Dachformen, Fassadengestaltung oder Gebäudehöhen. So schreibt Warburgs Gestaltungs- und Erhaltungssatzung in der Altstadt bestimmte Materialien und Formen vor, um das historische Stadtbild zu bewahren. Ergänzungssatzungen wiederum ermöglichen es der Stadt, angrenzende unbebaute Flächen dem Innenbereich zuzuordnen. Ein Beispiel: In einem Ortsteil wie Hohenwepel kann Warburg per Ergänzungssatzung eine Wiese am Dorfrand offiziell als Baufläche ausweisen, um dort Wohnhäuser zu ermöglichen, ohne einen Bebauungsplan aufzustellen.

Diese kommunalen Satzungen sind auf Grundlage des Baugesetzbuchs erlassen und dienen der Feinsteuerung vor Ort. Sie gelten grundsätzlich weiterhin – doch der neue § 246e BauGB kann ihre Wirkung in Einzelfällen überlagern.

Interaktion von § 246e BauGB mit § 34 BauGB und kommunalen Satzungen

Der Bau-Turbo (§ 246e) erlaubt befristet Abweichungen von Vorschriften des BauGB und darauf basierenden Satzungen, soweit dies nötig ist, um Wohnraum zu schaffen. Damit eröffnet sich für Warburg die Option, in bestimmten Fällen von den eigenen Gestaltungsregeln oder den üblichen § 34-Anforderungen abzuweichen, sofern der Stadtrat dem Vorhaben zustimmt. Konkret bedeutet das:

  • Abweichung vom Einfügungsgebot (§ 34 BauGB): Durch eine Änderung in § 34 BauGB (neu eingefügter Abs. 3a bzw. 3b) ermöglicht der Gesetzgeber jetzt ausdrücklich, dass Wohngebäude im unbeplanten Innenbereich auch dann genehmigt werden können, wenn sie sich nicht vollständig in die vorhandene Bebauung einfügen. Diese Lockerung dient der Innenentwicklung – z.B. dürfen Gebäude nun höher oder dichter gebaut werden, als es die Nachbarschaft bisher vorgibt, um mehr Wohnungen zu schaffen. Für Warburg heißt das: Ein Neubau in einem bestehenden Wohnviertel könnte aus städtebaulicher Sicht größer ausfallen als die Altbebauung, ohne am § 34 zu scheitern, sofern dadurch dringend Wohnraum entsteht und die Stadt zustimmt. Die Gemeindegremien haben also mehr Ermessen, Projekte abzunicken, die vom Ortsbild leicht abweichen, statt sie strikt wegen § 34 zurückweisen zu müssen.
  • Übergehen von Gestaltungsvorschriften: Warburgs Gestaltungssatzungen (z.B. für die Altstadt) bleiben zwar gültig, können aber im Einzelfall per § 246e-Ausnahme durchbrochen werden. Der Wortlaut des § 246e ermöglicht Abweichungen von „auf Grundlage des BauGB erlassenen Vorschriften“ – hierzu zählen auch kommunale Satzungen wie die genannten. Das bedeutet: Hat Warburg etwa eine Satzung, die in Hohenwepel nur Satteldächer zulässt, könnte die Stadt dennoch ein Wohnprojekt mit Flachdach genehmigen, wenn dies der Schaffung von Wohnraum dient und als sinnvoll erachtet wird. Ebenso könnte in der denkmalgeschützten Altstadt ein modernes Wohnprojekt zugelassen werden, obwohl es gestalterisch nicht alle Vorgaben erfüllt – vorausgesetzt, Warburg willigt ein, weil der Wohnraumnutzen überwiegt. Wichtig: Diese Abweichungen sind keine Automatismen, sondern liegen im Ermessen der Stadt. Warburg kann also sehr wohl an seinen Qualitätsansprüchen festhalten und muss jeden Antrag genau prüfen.
  • Ergänzungssatzungen vs. Bau-Turbo: Normalerweise nutzt Warburg Ergänzungssatzungen, um randständige Flächen in den Innenbereich zu holen und damit Bauen zu ermöglichen. Mit § 246e könnte ein vergleichbares Ergebnis schneller erzielt werden: Statt eine Satzung zu erlassen (was öffentliche Auslegung und Gremienbeschlüsse erfordert), kann Warburg direkt einem konkreten Bauvorhaben am Ortsrand zustimmen. Beispiel: In Hohenwepel soll auf einer bisher außenbereichlichen Fläche ein Wohnhaus entstehen. Bisher müsste die Stadt entweder einen Bebauungsplan oder eine Ergänzungssatzung schaffen; durch den Bau-Turbo kann sie dem Bauherrn sofort grünes Licht geben, sofern die Fläche an den bebauten Ort angrenzt und alle Beteiligten (Stadt und Bauaufsicht) einverstanden sind. Hier umgeht § 246e gewissermaßen das Instrument der Ergänzungssatzung, da das Ziel – neue Wohnbebauung am Siedlungsrand – auch ohne diesen Zwischenschritt erreicht werden kann. Für den Bauherrn verkürzt sich die Wartezeit erheblich, für Warburg entfällt ein Verwaltungsakt. Allerdings sollte die Stadt dabei die gleichen Überlegungen anstellen wie bei einer Satzung: Ist die Fläche geeignet? Sind Erschließung und Infrastruktur gesichert? Solche Bedingungen lassen sich ggf. im Zustimmungsbeschluss verankern, um geordnete städtebauliche Entwicklung sicherzustellen.

Zusammengefasst kann Warburg eigene Regelungen mit Hilfe des Bauturbos umgehen, aber es muss dies nicht tun. Die Stadt behält jederzeit die Möglichkeit zu sagen: „Dieses Projekt passt nicht, wir lehnen ab oder fordern Anpassungen.“ In der Praxis dürfte Warburg sorgfältig abwägen, ob eine Abweichung vertretbar ist. Beispielsweise könnte die Stadt in der Altstadt trotz Wohnraumbedarf an strengen Gestaltungsvorschriften festhalten, um das geschützte Ortsbild zu erhalten – § 246e ließe sich dort dann seltener einsetzen. In Neubaugebieten oder weniger sensiblen Ortsteilen könnte Warburg dagegen großzügiger sein, um etwa jungen Familien Bauplätze zu ermöglichen.

Beispiele aus Warburg: Hohenwepel und die Warburger Kernstadt

Beispiel Hohenwepel: Dieser Warburger Ortsteil hat teils noch unbebaute Flächen am Dorfrand. Nehmen wir an, ein Investor möchte dort mehrere Doppelhäuser errichten, um Mietwohnungen zu schaffen. Ohne Bau-Turbo müsste die Stadt erst eine Bauleitplanung betreiben oder zumindest eine Ergänzungssatzung erlassen, um die Außenbereichsfläche als Bauland auszuweisen – ein Vorgang, der Monate bis Jahre dauern kann und politisch diskutiert werden muss. Mit § 246e BauGB könnte Warburg das Vorhaben direkt genehmigen, sofern Hohenwepel im angespannten Wohnungsmarkt liegt und das Projekt dem Wohnraum dient. Die Häuser würden nach § 34 eigentlich nicht „im Zusammenhang bebauter Ortsteil“ liegen, doch § 246e erlaubt hier eine befristete Ausnahme. Warburg müsste innerhalb von drei Monaten entscheiden; stimmt der Stadtrat zu, ersetzt dies die sonst nötige Satzung. Wichtig ist, dass die Neubauten an den bestehenden Ort anschließen – tatsächlich verlangt der Gesetzestext ausdrücklich den räumlichen Zusammenhang mit bebauten Gebieten. In Hohenwepel dürfte dies gegeben sein, wenn die Fläche an den Dorfrand grenzt. So entsteht relativ rasch neues Wohnen, was Chancen bietet: junge Familien können bleiben, Warburg nutzt vorhandene Dorfinfrastruktur besser aus. Herausforderung: Die fehlende formelle Planungsphase verkürzt die Bürgerbeteiligung. Anwohner in Hohenwepel würden das Bauvorhaben ggf. erst bemerken, wenn die Baugenehmigung bereits erteilt ist. Die Stadt sollte daher im Vorfeld transparent kommunizieren, warum sie den Weg über § 246e geht, um Akzeptanz zu schaffen.

Beispiel Warburger Innenstadt: Angenommen, ein Eigentümer in der Warburger Altstadt plant, sein zweigeschossiges Haus um ein Wohnstockwerk aufzustocken und die Fassade modern zu gestalten, um zusätzlichen Wohnraum zu gewinnen. Nach geltender Gestaltungs- und Erhaltungssatzung könnte dies problematisch sein – möglicherweise sind die zulässige Gebäudehöhe oder bestimmte moderne Materialien dort eingeschränkt. Auch § 34 BauGB würde verlangen, dass sich der Ausbau in die Umgebung einfügt, was in einer historisch geprägten Gasse schwierig sein kann. Hier könnte § 246e ins Spiel kommen: Mit Zustimmung der Stadt dürfte der Bauherr trotz Abweichung von den Gestaltungsregeln die Aufstockung realisieren. Warburg könnte dieses Projekt befürworten, wenn es etwa dringend benötigte Wohnungen in der Innenstadt schafft und das Stadtbild nicht unvertretbar beeinträchtigt. Praktisch würde die Bauaufsicht den Antrag prüfen und die Stadt um ihr Okay nach § 246e bitten. Die Stadt könnte Bedingungen stellen (z.B. Dachgestaltung anpassen), aber im Kern würde sie eine Ausnahme vom strengen Altstadtrecht gewähren, um Wohnraum zu gewinnen. Dieses Umgehen der lokalen Vorgaben will gut begründet sein: Warburgs Entscheidungsträger müssten abwägen zwischen Stadtbildschutz und Wohnraumschaffung. Denkbar ist, dass die Stadt solche Ausnahmen nur moderat nutzt – etwa um unausgebaute Dachgeschosse zu Wohnzwecken nutzbar zu machen, aber keine radikalen Stilbrüche zuzulassen. Schließlich bleibt auch der Denkmalschutz ein Faktor: Ist ein Gebäude denkmalgeschützt, kann § 246e nicht einfach alle Schutzvorschriften aushebeln; hier wären weiterhin gesonderte Genehmigungen nötig.

Können Warburgs Regeln umgangen oder eher ergänzt werden?

Der Bauturbo stellt keinen Freifahrtschein dar, sämtliche örtlichen Regeln außer Kraft zu setzen. Vielmehr bietet er Warburg ein zusätzliches Werkzeug, um in begründeten Fällen schneller Wohnbau zu ermöglichen. Man könnte sagen, § 246e ergänzt die bisherigen Instrumente: Neben Bebauungsplan, § 34-BauGB-Bewertung und Satzungen gibt es nun die Option, im Einzelfall eine Abkürzung zu nehmen. Warburg kann diese Abkürzung nutzen, um Ziele der Stadtentwicklung (wie mehr Wohnungen) zu erreichen, ohne die formalen Schritte jeder Planung durchlaufen zu müssen. Dennoch wird die Stadt darauf achten, dass die grundsätzlichen Leitplanken ihrer Satzungen nicht ausgehebelt werden. So könnte Warburg intern Kriterien festlegen, wann der Bau-Turbo angewandt wird – etwa nur bei Vorhaben mit erheblichem Gemeinwohlinteresse (z.B. sozialer Wohnungsbau oder Nachverdichtung im Ortskern) und nur dort, wo die Abweichungen vom lokalen Recht vertretbar sind.

Für Bauherren und Architekten in Warburg heißt das: Sie sollten ihre Projekte weiterhin im Lichte der örtlichen Vorgaben planen, aber wissen, dass es im Zweifel Verhandlungsspielraum gibt. Ein Architekt kann z.B. der Stadt vorschlagen, eine Gestaltungsregel auszusetzen, wenn dadurch deutlich mehr Wohnraum entsteht, und argumentieren, warum das städtebaulich verkraftbar ist. Die letztliche Entscheidung liegt dann bei Warburgs Gremien, die dank § 246e mehr Flexibilität haben, zu Gunsten eines Projekts zu entscheiden.

Fazit: Der neue § 246e BauGB wirkt sich spürbar auf das Zusammenspiel von Bundesrecht und kommunalem Ortsrecht in Warburg aus. Er erlaubt es der Stadt, ihre eigenen Ergänzungs- und Gestaltungssatzungen im Bedarfsfall zu durchbrechen oder zu umgehen, um schneller Wohnraum zu schaffen. Damit eröffnet sich die Chance, starre Regeln dort aufzubrechen, wo sie der Wohnraumentwicklung im Wege stehen – aber stets unter der Kontrolle der Stadt. Warburg kann den Bauturbo als sinnvolle Ergänzung zu den bestehenden Satzungen verstehen: Einerseits hält man an bewährten Ortsvorschriften fest, andererseits nutzt man § 246e gezielt, um wichtige Projekte zu ermöglichen, die sonst scheitern würden. Für Bauherren, Architekten und kommunal Verantwortliche bedeutet das ein Mehr an Möglichkeiten und Verantwortung gleichermaßen. Durch frühzeitige Abstimmung und kluge Auswahl der Bau-Turbo-Fälle kann Warburg seine Stadtentwicklung beschleunigen, ohne die örtliche Baukultur preiszugeben – ein Balanceakt, der mit transparenten Entscheidungen und Augenmaß gelingen kann.

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