Der neue Bau-Turbo (§ 246e BauGB) – Überblick und Bedeutung für Warburg
Einführung: Der Gesetzgeber hat mit dem sogenannten Bau-Turbo (§ 246e Baugesetzbuch) ein Instrument geschaffen, um Bauanträge – insbesondere für dringend benötigten Wohnraum – deutlich zu beschleunigen. Dieses zum 30. Oktober 2025 in Kraft getretene Gesetzespaket soll Planungsverfahren entbürokratisieren und schneller zum Baubeginn führen. Im Fokus steht dabei auch, wie Kommunen wie Warburg davon profitieren können. Gerade für private Bauherren, Architekten, Investoren und Städte eröffnet der Bau-Turbo Chancen, birgt aber auch Herausforderungen, die nachfolgend erläutert werden.
Funktionsweise von § 246e BauGB (Bau-Turbo-Gesetz)
Die Neuregelung § 246e BauGB ist als befristete Experimentierklausel ausgestaltet. Sie gilt zunächst bis Ende 2030 und darf nur unter bestimmten Voraussetzungen angewendet werden:
- Angespannter Wohnungsmarkt: Zunächst muss das Bauvorhaben in einer Gemeinde liegen, die per Rechtsverordnung als Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt ausgewiesen ist. Dies ist eine Voraussetzung gemäß § 201a BauGB, um sicherzustellen, dass der Bau-Turbo nur dort zum Einsatz kommt, wo Wohnraumknappheit herrscht. (Anmerkung: Warburg müsste entsprechend als angespanntes Gebiet gelten, damit § 246e hier zur Anwendung käme.)
- Zustimmung der Gemeinde: Die Gemeinde selbst muss jedem Vorhaben nach § 246e explizit zustimmen. Damit bleibt die kommunale Planungshoheit gewahrt – Warburg behält also die Kontrolle und kann Projekte ablehnen, wenn sie nicht ins städtebauliche Konzept passen.
- Zeitliche Befristung: Die Sonderregelung ist zeitlich limitiert. Bis zum 31. Dezember 2030 können Vorhaben unter diesen Erleichterungen zugelassen werden; erteilte Genehmigungen behalten darüber hinaus Gültigkeit.
Kern des Bau-Turbo ist die Möglichkeit, von nahezu allen Vorgaben des Bauplanungsrechts abzuweichen, solange dies dem Wohnungsbau dient. Das betrifft Neubauten, Erweiterungen und die Umnutzung von Gebäuden zu Wohnzwecken. Konkret kann eine Gemeinde wie Warburg damit Ausnahmen von sonst geltenden Bauvorschriften zulassen – etwa von örtlichen Bebauungsplänen oder anderen planungsrechtlichen Beschränkungen – sofern dadurch mehr Wohnraum geschaffen wird.
Zentrale Regelungsinhalte: Genehmigungsfiktion, Befreiungen und Verfahrensvereinfachung
- Beschleunigte Entscheidung & Genehmigungsfiktion: Ein zentrales Element ist die strenge Drei-Monats-Frist. Die Stadt muss binnen drei Monaten über das Baugesuch nach § 246e entscheiden. Bleibt Warburg in dieser Frist untätig, gilt das Vorhaben automatisch als genehmigt (Genehmigungsfiktion). Für Bauherren bedeutet dies Rechts- und Planungssicherheit: Lange Wartezeiten auf Bescheide entfallen. Allerdings können bestimmte Verfahren, etwa Umwelt- oder Denkmalschutzprüfungen, den Fristablauf hemmen – komplett ohne Abwägung bleibt das Verfahren also nicht.
- Keine Bebauungsplanpflicht: Üblicherweise muss für größere Bauprojekte ein Bebauungsplan aufgestellt oder geändert werden, was Jahre dauern kann. § 246e BauGB erlaubt es dagegen, Wohnungsbau auch ohne Bebauungsplan zu genehmigen. Die Kommune kann also z.B. in Warburg einen Wohnungsbau zulassen, ohne zuvor einen langwierigen Planaufstellungsprozess durchlaufen zu müssen. Das spart erheblich Zeit und Aufwand in der Verwaltung. In Bereichen mit bereits bestehendem Bebauungsplan dürfen Vorhaben sogar über die Festsetzungen des Plans hinaus gehen, wenn sie dem Wohnraumzweck dienen.
- Befreiung vom Bauplanungsrecht: Der Bau-Turbo ermöglicht weitreichende Ausnahmen von planungsrechtlichen Vorgaben, vom sogenannten Einfügungsgebot in unbeplanten Gebieten bis hin zu Nutzungsbeschränkungen. So können in Warburg etwa Gebäude höher aufgestockt oder dichter gebaut werden, selbst wenn dies normalerweise nicht ins Umgebungsbild passen würde, solange die Gemeinde zustimmt. Private Bauherren und Investoren gewinnen dadurch Flexibilität – beispielsweise lässt sich ein größeres Wohngebäude errichten, wo vorher nur eine kleinere Bebauung zulässig war.
- Verfahrensvereinfachung: Insgesamt wird das Genehmigungsverfahren erheblich verschlankt. Stimmen Gemeinde und Bauaufsichtsbehörde zu, kann eine Baugenehmigung innerhalb von zwei Monaten erteilt werden – bisher vergingen in komplexen Fällen nicht selten mehrere Jahre. In Warburg bedeutet dies, dass dringend benötigte Wohnprojekte (z.B. Mehrfamilienhäuser oder Nachverdichtungen) erheblich schneller realisiert werden könnten. Durch den Wegfall vorgelagerter Planungsverfahren sinken zudem die Kosten und Planungsrisiken für Bauherren.
Wichtig: Trotz dieser Erleichterungen bleiben Sicherheits- und Umweltstandards unberührt. Die Landesbauordnung (Bauordnungsrecht) gilt weiter – Aspekte wie Statik, Brandschutz oder gesundes Wohnen müssen nach wie vor eingehalten werden. Auch schließt § 246e die Prüfung von Umweltbelangen nicht aus, vor allem im Außenbereich.
Fristen, räumliche Grenzen und Besonderheiten
Der Bau-Turbo ist vor allem auf den Innenbereich und städtische Lagen zugeschnitten. Im Außenbereich – also außerhalb zusammenhängender Bebauung – darf § 246e nur sehr eingeschränkt genutzt werden. Wohnungsbau im Außenbereich bleibt die Ausnahme und kommt laut Gesetzgeber primär dort infrage, wo er eine direkte Anbindung an bestehende Siedlungen hat. Das ist relevant für Warburgs Ortsteile: Ein Projekt am Ortsrand (z.B. Anbau neuer Wohnhäuser an ein Dorf wie Hohenwepel) könnte unter Bauturbo genehmigt werden, aber ein isoliertes Neubaugebiet „auf der grünen Wiese“ soll vermieden werden. Hintergrund ist der Schutz von Umwelt, Landschaft und Landwirtschaftsflächen, den Warburg ebenfalls berücksichtigen muss.
Zudem ist die gesamte Regelung befristet: Bis Ende 2030 können Bauwillige und Kommunen diese Sonderbefugnisse nutzen. Danach fällt das Verfahren wieder auf den Normalzustand zurück – es sei denn, der Gesetzgeber verlängert oder entfristet die Klausel nach einer geplanten Evaluation im Jahr 2029.
Bedeutung für Bauherren, Architekten, Investoren und Kommunen
Für private Bauherren und Investoren bietet der Bau-Turbo erhebliche Vorteile. Bauprojekte lassen sich schneller auf den Weg bringen, was Planungssicherheit erhöht und Finanzierung vereinfacht. In Warburg könnten z.B. Familien, die auf eigenem Grundstück zusätzlichen Wohnraum schaffen wollen, deutlich rascher eine Genehmigung erhalten als früher. Auch Investoren, die Mehrfamilienhäuser bauen, profitieren von weniger Bürokratie und der Möglichkeit, in Absprache mit der Stadt von starren Vorgaben abzuweichen (z.B. mehr Wohneinheiten zu realisieren als ein alter Plan erlaubte). Dennoch müssen sie Qualität und Vorschriften im Blick behalten – eine schnellere Baugenehmigung entbindet nicht von der Einhaltung technischer Standards.
Architekten gewinnen Planungsfreiräume, da sie Konzepte entwickeln können, die über bisherige Baugrenzen hinausgehen. Kreative Lösungen – etwa Aufstockungen von Bestandsgebäuden oder das Ausnutzen von Hinterhöfen für Wohnzwecke – werden eher umsetzbar. Der Bauturbo verlangt aber auch von Architekten ein gutes Abstimmungsvermögen: Entwürfe müssen die örtlichen Interessen berücksichtigen, da Warburg weiterhin das letzte Wort hat. Ein im Eiltempo genehmigtes Projekt ist nur erfolgreich, wenn es sich trotz möglicher Abweichungen sinnvoll in die Gemeinde einfügt und Akzeptanz findet.
Für die Stadt Warburg (und vergleichbare Kommunen) stellt § 246e BauGB ein zweischneidiges Werkzeug dar. Einerseits erhält die Stadt ein starkes Mittel, um schnell auf Wohnraummangel zu reagieren. Ohne langwierige Bauleitplanung können neue Wohnungen geschaffen werden, was insbesondere kleineren Städten Entwicklungschancen bietet. Warburg könnte beispielsweise brachliegende Flächen oder ungenutzte Gebäude in der Kernstadt zügig in Wohnraum umwandeln, ohne erst einen Bebauungsplan aufzustellen. Andererseits bedeutet die Anwendung des Bauturbos, dass Warburg in kurzer Zeit komplexe Entscheidungen treffen muss. Chancen: Die Stadt spart Ressourcen bei der Planung, entlastet die Verwaltung und signalisiert Aufbruchstimmung an Bauwillige. Herausforderungen: Die übliche Bürgerbeteiligung und gründliche Abwägung könnten geringer ausfallen, was im schlimmsten Fall zu Konflikten führt. Zudem muss Warburg darauf achten, dass ad-hoc genehmigte Projekte zur Infrastruktur passen (Verkehr, Versorgung) und die Stadtgestaltung nicht beeinträchtigen.
Fazit: § 246e BauGB vereinfacht den Bauantrag erheblich und verkürzt Fristen drastisch. Für Warburg und andere Kommunen eröffnet dies die Möglichkeit, dem Wohnraumbedarf schneller und flexibler gerecht zu werden. Gerade kleinere Städte können vom Bau-Turbo profitieren, da er bürokratische Hürden senkt und Investitionen beschleunigt. Wichtig ist jedoch ein sorgfältiger Umgang: Der Bau-Turbo will klug eingesetzt sein, damit neue Projekte zwar zügig entstehen, aber dennoch gut durchdacht und stadtverträglich umgesetzt werden. So kann das Gesetz zur Chance für alle Beteiligten werden – von privaten Bauherren über Architekten bis hin zu Kommunen wie Warburg, die aktiv an der Lösung der Wohnungsfrage mitwirken möchten.
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