Zur Höhe des Schadensersatzes bei Filesharing
Die im Wege der Lizenzanalogie geltend gemachte Nutzungsentschädigung für ein über Filesharing öffentlich zugänglich gemachtes Musikstück der aktuellen Charts über einen Zeitraum von mehreren Wochen kann mit einer unbekannten Zahl von Zugriffen auf 200 € geschätzt werden, vgl. OLG Frankfurt a.M. 16.12.2014, 11 U 27/14.
Der Sachverhalt:
Die Klägerin hatte den Beklagten wegen Verletzung der von ihr geltend gemachten Rechte als Tonträgerherstellerin im Hinblick auf eine Beteiligung des Beklagten an einer Internet-Tauschbörse in Anspruch genommen. Diesbezüglich hatte sie zunächst mit einem dem Beklagten im September 2012 zugestellten Mahnbescheid Nutzungsentschädigung i.H.v. 200 € sowie Ersatz vorgerichtlicher Abmahnkosten geltend gemacht, die Klage sodann aber um einen Unterlassungsanspruch erweitert und den Mindestbetrag der geltend gemachten Nutzungsentschädigung letztlich auf 1.500 € erhöht. Den Unterlassungsantrag haben die Parteien erstinstanzlich übereinstimmend für erledigt erklärt.
Das LG hat der Klage hinsichtlich der geltend gemachten Nutzungsentschädigung i.H.v. 150 € sowie hinsichtlich der geltend gemachten Abmahnkosten i.H.v. 507 € stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das OLG das Urteil teilweise abgeändert und die Beklagte dazu verurteilt, an die Klägerin rund 700 € nebst Zinsen zu zahlen. Die Revision wurde nicht zugelassen.
Die Gründe:
Der Klägerin steht dem Grunde nach wegen Verletzung ihres Tonträgerherstellerrechts durch öffentliche Zugänglichmachung der streitigen Musikstücke gem. §§ 85, 97 Abs. 2 UrhG ein Schadenersatzanspruch zu, den der Senat auf 200 € geschätzt hat.
Der Schaden der Klägerin war nicht auf der Grundlage der Vergleichstarife zu bestimmen. In der Rechtsprechung finden sich unterschiedliche Ansätze zur Berechnung eines Schadensersatzanspruchs in den Fällen des Einstellens urheberrechtlich geschützter Musiktitel in Peer-to-Peer-Netzwerke zum kostenlosen Download. Teilweise werden als Anhaltspunkt für die Bestimmung einer angemessenen Vergütung verschiedene Tarife der Verwertungsgesellschaften (GEMA) herangezogen. Andererseits wird eine Orientierung an dem Tarif VR-OD 5 vorgenommen, der die Nutzung einzelner Titel auch durch Download aus dem Internet zum Gegenstand hat und für ein Werk mit einer Spieldauer von bis zu fünf Minuten eine Mindestvergütung von 0,1278 € pro Zugriff vorsieht.
Nach Ansicht des OLG Hamburg (Urt. v. 7.11.2013, Az.: 5 U 222/10) kann für die Bemessung des zu erstattenden Schadens auf bestehende Tarifwerke nicht zurückgegriffen werden. Die Höhe des in der Regel nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie zu leistenden Schadensersatzbetrages könne lediglich im Rahmen von § 287 ZPO unter Berücksichtigung aller Umstände geschätzt werden, wobei es der Ermittlung eines angemessenen Pauschalbetrages als Schadensersatzbetrag bedürfe, der in gewissen Grenzen unabhängig von dem konkret in Frage stehenden Titel und dessen aktueller Popularität sei. Im Ergebnis folgt das OLG Hamburg für die Schätzung eines Mindestschadens somit dem Ansatz des OLG Köln und gelangt ebenfalls zu einer Schadensschätzung auf 200 € für ein Musikstück.
Eine Schadensschätzung auf 200 € pro Musikstück war auch im vorliegenden Fall angemessen. Soweit sich das OLG Hamburg mit beachtlichen Bedenken gegen eine Heranziehung der GEMA-Tarife als Vergleichsmaßstab gewandt hatte, kam es im Ergebnis dennoch zur Annahme dieses Betrages als angemessene fiktive Lizenzgebühr. Angesichts des Umstands, dass unmittelbar anwendbare Tarife in Filesharing-Fällen nicht existieren, eine gerichtliche Schätzung aber nicht vorgenommen werden darf, wenn diese mangels greifbarer Anhaltspunkte völlig in der Luft hängen würde (BGH-Urt. v. 22.5.1984, Az.: III ZR 18/83), erscheint auch eine Orientierung an den sachlich zumindest ähnlich gelagerten GEMA-Tarifen und den verkehrsüblichen Entgeltsätzen für legale Downloadangebote im Internet jedenfalls zur Bestimmung einer Größenordnung des Schadens naheliegend und geboten.
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