Vertragsstrafe sichern: Warum der Vorbehalt bei der Bauabnahme nach § 341 BGB entscheidet
Ein Bauvorhaben ist fertig, der Schlüssel wechselt die Hand – doch es gab Verzögerungen. Im Vertrag steht eine Vertragsstrafe für Verzug. Wer jetzt bei der Abnahme nicht aufpasst, verliert diesen Anspruch. Der Dreh- und Angelpunkt ist der ausdrückliche Vorbehalt bei der Abnahme.
Wozu dient die Vertragsstrafe im Bauvertrag?
Vertragsstrafen sind ein bewährtes Steuerungsinstrument, um Termine und Leistungstreue abzusichern (gesetzlich in §§ 339–345 BGB, bei VOB/B-Verträgen zusätzlich § 11 VOB/B). Typisch sind Tagessätze bis zu einem Höchstprozentsatz der Auftragssumme. Die Strafe ersetzt aufwändige Schadensdarlegung – sie wirkt pauschal und präventiv.
Voraussetzung ist eine wirksam vereinbarte Klausel (AGB-Kontrolle nach §§ 305 ff. BGB beachten: Angemessenheit der Höhe, klare Auslöseereignisse, Höchstgrenze). Doch selbst eine saubere Klausel nützt nichts, wenn der Vorbehalt bei Abnahme fehlt.
Der Dreh- und Angelpunkt: § 341 Abs. 3 BGB i. V. m. § 640 BGB
Die Abnahme (§ 640 BGB) markiert den rechtlichen Wendepunkt: Mit ihr nimmt der Auftraggeber das Werk als im Wesentlichen vertragsgemäß an. § 341 Abs. 3 BGB ordnet an: Wer die Leistung annimmt, kann die Vertragsstrafe nur verlangen, wenn er sie sich bei der Abnahme ausdrücklich vorbehält. Ohne Vorbehalt gilt der Anspruch als aufgegeben – obwohl die Strafe im Vertrag steht.
Wichtig ist die Form der Erklärung: Sie ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung gegenüber dem Auftragnehmer. Sie sollte schriftlich im Abnahmeprotokoll festgehalten und gegenzeichnen lassen. In der Praxis genügt ein klarer, eindeutiger Satz – keine Begründung, keine Bezifferung nötig.
Formulierungsvorschlag (ohne Anführungszeichen):
Vertragsstrafe wird ausdrücklich vorbehalten.
Die typischen Fallstricke in der Praxis
1) Unbedingte Abnahme.
Im Protokoll fehlt der Vorbehalt – die Vertragsstrafe ist verwirkt. Gerade private Bauherren und kleinere Bauabteilungen übersehen diesen einen Satz häufig.
2) Konkludente Abnahme.
Abnahmen passieren nicht nur mit Unterschrift. Vollständige, vorbehaltlose Zahlung der Schlussrechnung oder die Ingebrauchnahme des Werks können als Abnahme gelten. Wer dabei keinen Vorbehalt erklärt, verliert den Anspruch. Dieses Risiko ist groß, weil die Beteiligten das abnahmegleiche Verhalten oft nicht als rechtlichen Abnahmetatbestand wahrnehmen.
3) Fiktive Abnahme (§ 640 Abs. 2 BGB).
Fordert der Unternehmer zur Abnahme auf und verstreicht die gesetzte Frist, gilt das Werk als abgenommen, wenn der Besteller nicht rechtzeitig unter Angabe von Mängeln widerspricht. Wer diesen Fristablauf verschläft, gerät in eine Abnahme ohne Vorbehalt – die Vertragsstrafe ist weg. Abhilfe: rechtzeitig reagieren und die Abnahme aktiv mit Vorbehalt erklären.
4) Teilabnahmen und mehrere Abnahmezeitpunkte.
Bei Abschnittsabnahmen muss der Vorbehalt spätestens bei der ersten relevanten Abnahme erklärt werden. Ein früh erklärter Vorbehalt kann spätere Abnahmen „tragen“. Sicherer ist es, den Vorbehalt bei jeder Abnahme erneut zu dokumentieren – der Aufwand ist minimal, der Schutz maximal.
Rechtsprechungsbild – streng im Grundsatz, eng begrenzte Ausnahmen
Die Gerichte halten am Grundsatz fest: Ohne Vorbehalt kein Vertragsstrafenanspruch. Anerkannt sind wenige Ausnahmen, etwa wenn der Auftraggeber bereits vor der Abnahme die Vertragsstrafe tatsächlich geltend gemacht hat (z. B. durch eindeutige Aufrechnung) oder wenn eine Klage auf Vertragsstrafe bereits anhängig ist. Das sind seltene Sonderlagen. Für die tägliche Praxis gilt: Vorbehalt erklären – Punkt.
Checkliste für die Abnahme
Vorbereitung
- Vertragslage prüfen: Gibt es eine Vertragsstrafenklausel? Wofür genau? Welche Höchstgrenze?
- Abnahmeform wählen: förmliche Abnahme mit Protokoll bevorzugen.
- Verantwortlichkeiten klären: Wer auf Seiten des Auftraggebers spricht den Vorbehalt aus?
Durchführung
- Im Protokoll einen eindeutigen Vorbehaltssatz aufnehmen und gegensignieren lassen.
- Mängel separat dokumentieren (vorbehalten) – das ersetzt nicht den Vertragsstrafenvorbehalt.
- Keine voreilige Vollzahlung der Schlussrechnung, solange der Vorbehalt nicht erklärt ist.
Nachbereitung
- Fristen aus Abnahmeverlangen des Unternehmers überwachen (fiktive Abnahme vermeiden).
- Bei Teilabnahmen den Vorbehalt konsequent wiederholen.
- Interne Standards etablieren: Musterprotokolle mit fester Vorbehaltszeile.
Hinweise für die Beteiligten
Öffentliche Auftraggeber:
Standardisierte Abnahmeformulare nutzen und den Vorbehalt als Pflichtfeld verankern. Schulung der Bauleitungen und Vergabestellen, damit fiktive und konkludente Abnahmen erkannt und gesteuert werden.
Bauherren (privat/gewerblich):
Den Abnahmetermin bewusst vorbereiten; auf keinen Fall „nebenbei“ abwickeln. Bei Terminverzug das Thema Vertragsstrafe aktiv adressieren – auch wenn die Freude über die Fertigstellung groß ist.
Architekten und Bauleiter:
Hinweispflichten ernst nehmen. Wer Abnahmen vorbereitet oder begleitet, sollte die Bauherrenseite proaktiv auf den Vertragsstrafenvorbehalt stoßen – dokumentiert und rechtzeitig. Das reduziert Konflikte und Haftungsrisiken.
Bauunternehmen:
Transparenz gegenüber Auftraggebern hilft. Eine klar strukturierte Abnahme und ein nachvollziehbares Bautagewerk minimieren Streit über Verzugsgründe und -dauern. Den Vorbehalt des Auftraggebers als legitimen Akt einpreisen – er ist kein Affront, sondern gesetzliche Systematik.
Fazit
Die vertragliche Strafklausel ist ein scharfes Schwert – sie schneidet aber nur, wenn der Vorbehalt bei Abnahme sauber erklärt wird. § 341 Abs. 3 BGB und § 640 BGB bilden zusammen die juristische Leiter: Abnahme ja, aber mit dokumentiertem Vorbehalt. Wer das beherzigt, sichert sein Druckmittel und vermeidet teure Prozessüberraschungen.
Über den Autor
Als Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht begleite ich Auftraggeber, Architekten und Unternehmen durch Abnahme- und Nachtragsprozesse, gestalte praxistaugliche Vertragsstrafenklauseln und etabliere schlanke Abnahmeroutinen. Wenn Sie Ihre Muster und Abläufe auf den Prüfstand stellen möchten, stehen wir gern für einen kurzen Sparrings-Termin zur Verfügung.
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